Foto: Mario Heller
Alpnach und Sarnen, Herbst/Winter 2014/2015. Christian (22) und Olivia (23) entdeckten das Restaurant «Tell» im Herbst 2014. Es wird vorübergehend von zwei Dutzend jungen Menschen aus verschiedenen Nationen bewohnt. Wir nahmen uns vor, es gleich mal von innen kennenzulernen. Bei unserem ersten Besuch wurden wir in den obersten Stock eingeladen und dort herzlich in Empfang genommen. Die Bewohner dieser WG im obersten Stock sind berühmt-berüchtigt für ihre Ausdauer im Jassen. Sogleich führten sie uns in ihre Version des Kartenspiels ein und liessen uns mitspielen. Dann sprachen wir über die Geschichte von Wilhelm Tell und tauschten Zaubertricks aus.
Aus den wöchentlichen Besuchen von Christian (22) und Olivia (23), an welchen wir Essen mitbrachten und mal in der dritten Etage, mal in der zweiten kochten und so Bekanntschaften mit immer mehr Bewohnern schlossen. Nach ein paar Wochen kochten wir zum ersten Mal in der ersten Etage – für die ganze Bewohnerschaft zuzüglich zu geladenen Gästen aus der Kunsthochschule: Es gab Injera, ein traditionelles eritreisches Gericht, gekocht von Shewit (24). Aus diesem gelungenen Anlass entstand die spätherbstliche Kulturreihe «Goldmatelier und Kultur im Tell».
Seit November 2014 luden wir jeden Montag Freunde und Bekannte an den «Stammtisch im Tell» ein sowie jeden Donnerstag ins «Goldmatelier» – dem weiblichen Pendant zum «Tell».
Sehr schnell ergriffen die Leute selbst die Initiative: Besucher und Bewohner schlossen sich zu kleinen Grüppchen zusammen, um einen Abend zu gestalten. Es gab Tanzabende, einen Kleidertausch, und natürlich Jass-Abende statt. Der Höhepunkt war der Samichlaus-Abend im «Tell». Senay (26), der sich kurz zuvor das Samichlaus-Ritual erklären liess, rief souverän einen nach dem anderen nach vorne und sprach Lob und Tadel in drei Sprachen aus: in Tigrinnisch, Arabisch und Deutsch. So verstanden ihn alle Anwesenden. Dann gab er dem Schmutzli die Anweisung: «Geschenk!», und der Schmutzli überreichte eine Frucht oder Süssigkeit aus dem Chlaussack.
Ein anderes Mal kündigte uns Feras (22) aus Syrien an, am nächsten Montag syrisch zu kochen. Alle freuten sich enorm auf das syrische Essen,
und dann gab es Pizza! – Was! – Warum? – Ja, in Syrien ist es wie auch bei uns normal, dass man oft Pizza oder Pasta isst. Da hatten wir dann also eine «Syrische Pizza».
Die Bewohner des «Tell» und des «Goldmatelier» schätzen die neu gewonnenen Bekanntschaften zu den jungen Leuten, welche aus Luzern, zum Teil auch aus Bern und Zürich anreisten, um an der zweimonatigen Kulturreihe in den Asylunterkünften teilzunehmen.
Auch nach Abschluss des Projekts im Januar 2015 wollen mehrere KünstlerInnen und Bekannte des Künstlerduos den Kontakt zu ihren meist gleichaltrigen Stammtischfreunden behalten.